
Invisalign schneller als feste Zahnspangen? Ihr Kieferorthopäde klärt auf
Invisalign wirbt gerade mit großen Versprechen: schneller, angenehmer, besser vorhersehbar als die klassische Zahnspange. Das klingt gut – aber stimmt das auch wirklich? In diesem Artikel möchte ich die Aussagen aus fachlicher Sicht einordnen und erklären, warum am Ende nicht die Apparatur entscheidend ist, sondern die Planung durch den Kieferorthopäden.
Invisalign und die Werbeaussagen
Auf der aktuellen Invisalign- Webseite finden sich drei zentrale Punkte:
- schneller als feste Zahnspangen
- angenehmer als feste Zahnspangen
- besser vorhersehbar
Diese Behauptungen schauen wir uns einmal genauer an.
Schneller als feste Zahnspangen?
Ob eine Behandlung schneller oder langsamer verläuft, hängt nicht am Material der Apparatur. Der Zahn selbst „weiß“ nicht, ob er mit einer Schiene oder mit einem Bracket bewegt wird – er reagiert nur auf die Kraft, die auf ihn wirkt. Das ist reine Biologie und Physik.
Bei kleineren Korrekturen kann Invisalign in der Praxis tatsächlich zügig sein. Aber bei komplexeren Bewegungen – stark rotierte Zähne, sehr kurze Zähne oder auf vertikale Zahnbewegungen – ist die feste Spange in der Regel überlegen. Sie kann solche Bewegungen direkter und oft auch schneller umsetzen.
Angenehmer als feste Zahnspangen?
Das Argument „angenehmer“ hat sicher seine Berechtigung. Viele Patient:innen empfinden die Schienen als komfortabler, weil man sie herausnehmen kann, keine Drähte stören und die Reinigung einfacher ist.
ABER: Diese Vorteile gelten nur, wenn die Schienen wirklich konsequent getragen werden. 22 Stunden am Tag sind Pflicht. Wer das nicht schafft, der wird mit einer festen Spange am Ende auch zuverlässiger behandelt – auch wenn sie subjektiv zunächst weniger angenehm erscheint. Die Wahrheit ist, man gewöhnt sich dran und dann ist das auch kein Problem.
Besser vorhersehbar?
Die digitalen Simulationen, die Invisalign erstellt, sehen beeindruckend aus. Aber am Ende ist es ein Planungsmodell, nicht die Realität. Entscheidend ist, wie gut der Kieferorthopäde den Fall einschätzt.
- Ist das Kiefergelenk in Ordnung?
- Welche Zahnbewegungen sind in welcher Reihenfolge möglich?
- Wie werden die Kräfte appliziert?
Wenn die Planung nicht stimmt, helfen die schönsten 3D- Bilder nichts. Mit einer festen Spange kann in jeder Sitzung sofort nachjustiert werden – Draht biegen, Bracket versetzen. Bei Invisalign muss für jede größere Korrektur neu gescannt und eine neue Serie Schienen bestellt werden. Deshalb ist auch hier die Vorhersehbarkeit nicht vom System abhängig, sondern vom Planer und von der Mitarbeit der Patienten und natürlich auch von der Knochenstruktur des Patienten.
Werbung vs. Erfahrung
Warum ist Invisalign so präsent? Weil es enorm viel Werbung macht. Für die feste Zahnspange gibt es so gut wie keine Marketingkampagnen – dabei ist sie seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz. Aber sie ist nicht so „sexy“.
Mit festen Spangen wurden weltweit zig Millionen Patient:innen behandelt, die Ergebnisse sind stabil und zuverlässig. Sie gelten nach wie vor als Goldstandard, vor allen in Universitäten und in komplexen Fällen. Dass Invisalign oft im Vordergrund steht, liegt also weniger an der fachlichen Überlegenheit, sondern an der Werbepräsenz.
FAQ -Invisalign oder feste Zahnspange
1. Ist Invisalign wirklich schneller als eine feste Zahnspange?
Die Geschwindigkeit hängt nicht von der Marke ab, sondern davon, wie Zähne und Knochen biologisch reagieren. Jede Zahnbewegung bedeutet, dass sich der Knochen umbaut – und dieser Prozess kann nicht unendlich beschleunigt werden. Wird zu stark beschleunigt, drohen Entzündungen oder sogar Zahnverlust.
Man kann die Behandlung aber durch einige Dinge unterstützen:
- Tragezeit: Bei Invisalign nur mit konsequenten 22 Stunden täglich, bei fester Spange durch sorgfältige Mitarbeit ( zum Beispiel Gummis tragen).
- Kontrollintervalle: Regelmäßige Termine, manchmal etwas kürzer als üblich, halten die Behandlung „am Laufen“.
- Erprobte Methoden: Es gab Versuche mit Beschleunigungsverfahren wie Osteotomien, „Acceledent“, Mikrovibration oder Infrarot – klinisch durchgesetzt hat sich das alles nicht.
- Knochenstruktur: Manche Menschen haben biologisch härteren Knochen, da geht es langsamer – das ist keine Frage der Spange, sondern der Natur.
2. Was ist angenehmer: Invisalign oder eine feste Zahnspange:
Invisalign ist für viele angenehmer – vor allem dann, wenn ohne Attachments gearbeitet wird. Allerdings verschweigt die Werbung oft, dass Attachments oder Knöpfe in vielen Fällen unverzichtbar sind. Dann ist die Schiene nicht mehr ganz so „unsichtbar“, wie es dargestellt wird.
Bei der festen Spange gibt es auch Möglichkeiten, den Tragekomfort zu verbessern:
- Wachs über die Brackets kleben, damit über Nacht keine Druckstellen entstehen.
- Pieksende Drähte direkt beim Kieferorthopäden kürzen lassen.
- Moderne Brackets sind kleiner und glatter als früher, das steigert die Verträglichkeit.
3. Welche Behandlung liefert zuverlässigere Ergebnisse?
Jede Simulation – egal ob bei Invisalign, Spark oder Angel Aligner – ist zunächst nur ein Modell. Sie geht von einem Durchschnittspatienten aus. Je weiter man von diesem „Durchschnitt“ abweicht, desto unzuverlässiger kann die Simulation sein.
Beispiele:
- Sehr große Patient:innen oder sehr harter Knochen = Bewegungen schwieriger
- Sehr kleine Zähne = weniger Angriffsfläche, komplexere Korrekturen
- Unzureichende Tragezeiten = Ergebnisse weichen von der Simulation ab,
Feste Spangen haben den Vorteil, dass sie bei jedem Termin manuell nachjustiert werden können. Aligner müssen neu geplant und bestellt werden.
Wichtig ist auch: Nicht immer reicht eine Zahnspange alleine, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Für das perfekte Lächeln braucht es manchmal zusätzliche Maßnahmen, wie Bleaching, Zahnformkorrekturen (Tooth Shaping), Veneers, Kronen oder Implantate.
Diese Schritte sollten immer gemeinsam mit dem Kieferorthopäden besprochen werden, damit das Endergebnis sowohl funktionell als auch ästhetisch überzeugt.

Fazit: Nicht die Spange entscheidet, sondern der Kieferorthopäde
Ob Invisalign, Spark, Angel Aligner oder eine feste Zahnspange – die entschiedende Frage ist nicht, welches System verwendet wird, sondern wer es plant und durchführt.
Ein erfahrener Kieferorthopäde beurteilt die Funktion, das Kiefergelenk und die Reihenfolge der Zahnbewegungen. Er entscheidet, wann eine Schiene sinnvoll ist und wann eine feste Apparatur die bessere Wahl darstellt. Nur so lassen sich stabile und gesunde Ergebnisse erzielen. In meiner Praxis möchte ich den Patienten immer die für Ihren Fall beste und angenehmste Spange empfehlen. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass auch am Anfang etwas unangenehme Entscheidungen, oft zu einem besseren Behandlungsergebnis führen.