Viele Eltern kennen den Moment: Das Kind sitzt beim Spielen oder schläft – und der Mund steht leicht offen. Auf den ersten Blick wirkt das harmlos. Vielleicht Müdigkeit, vielleicht nur ein „gewöhnlicher Ausdruck“. Doch genau hier beginnt eines der am häufigsten übersehenen Gesundheitsprobleme bei Kindern: die Mundatmung.
Was viele nicht wissen: Die Art, wie ein Kind atmet, formt sein Gesicht, seinen Kiefer – und sogar seine Gehirnentwicklung. Mundatmung ist nicht nur ein kosmetisches Thema. Sie beeinflusst Schlaf, Konzentration, Infektanfälligkeit und das gesamte Wachstum des Kiefers.
Warum Kinder durch den Mund atmen – und warum das selten „normal“ ist
In der Regel atmen Kinder über die Nase. Das ist die physiologische, gesund Form der Atmung. Wenn ein Kind dauerhaft durch den Mund atmet, steckt fast immer eine Ursache dahinter.
Zu den häufigsten Gründen gehören:
- verengte Nasenwege durch Allergien oder Polypen
- schwache Zungen- und Lippenmuskulatur
- schlechte Gewohnheiten wie intensives Schnullern oder Flaschennuckeln
- ein zu kurzes Zungenbändchen, das die richtige Zungenposition verhindert
- chronische Infekte oder eine dauerhafte verstopfte Nase
Das Problem dabei: Sobald ein Kind beginnt, überwiegend durch den Mund zu atmen, verändert sich seine gesamte Gesichts- und Kieferentwicklung.
Wie Mundatmung das Gesicht formt – und warum das so früh beginnt
Kinder, die viel durch den Mund atmen, zeigen oft typische Veränderungen:
Ein schmaler, hoher Gaumen
Die Zunge liegt normalerweise oben am Gaumen und formt den Oberkiefer jeden Tag mit sanftem Druck. Bei Mundatmung fällt die Zunge nach unten – der Gaumen wächst schmal und hoch.
Enge Zahnreihen und Platzmangel
Wenn der Oberkiefer zu schmal ist, fehlt Platz für die bleibenden Zähne. Schiefe Zähne und später eine Zahnspange sind fast vorprogrammiert.
Das Gesicht wird länger und schmaler
Diese Form nennt man in der Medizin „adenoid face“. Es entsteht, weil Mundatmung eine andere Muskelspannung erzeugt – von Lippen über Wangen bis Hals.
Der Unterkiefer rutscht zurück
Viele Kinder entwickeln dadurch einen „kleinen“ oder „fliehenden“ Unterkiefer. Nicht genetisch – funktionell.
Diese Veränderungen beginnen früh, oft schon mit 3-5 Jahren – lange bevor die bleibenden Zähne überhaupt da sind.
Die unterschätzten Folgen: Schlaf, Gehirn und Verhalten
Mundatmung ist nicht nur ein Zahn und Kieferproblem.
Sie kann:
- die Sauerstoffversorgung im Schlaf reduzieren
- zu unruhigem Schlaf und nächtlichem Zähneknirschen führen
- Konzentrationsprobleme am Tag verursachen
- Symptome verstärken, die wie ADHS wirken
- durch die trockene Luftführung das Immunsystem schwächen
Kinder, die schlecht schlafen, lernen schlechter. Kinder, die schlecht atmen, schlafen schlecht. Und Kinder, die durch den Mund atmen, atmen selten tief und erholsam.
Wann Eltern aufmerksam werden sollten
Eltern sollten hellhörig werden, wenn sie Folgendes beobachten:
- das Kind schläft mit offenem Mund
- es schnarcht und atmet hörbar
- der Mund ist tagsüber oft geöffnet
- dunkle Augenringe, Müdigkeit trotz ausreichend Schlaf
- häufig Erkältungen und verstopfte Nase
- Konzentrationsschwierigkeiten
- schmale, enge Zahnreihen
Viele dieser Symptome wirken auf den ersten Blick harmlos – in Kombination erzählen sie jedoch eine klare Geschichte.
Wie wir Mundatmung in der Kieferorthopädie behandeln
Die gute Nachricht: Mundatmung ist behandelbar – und je früher, desto einfacher.
In unserer Praxis kombinieren wir:
1. Frühdiagnostik (ab 4-5 Jahren)
Wir prüfen: Zungenlage, Lippenkraft, Atmung, Schlafmuster, Gaumenform, Zungenbändchen, Haltung.
2. Kieferentwicklung im Wachstum (z.B. Invisalign First)
Damit können wir:
- den Gaumen verbreitern
- den Oberkiefer in die richtige Form bringen
- Platz für die Zähne schaffen
- die Atmung verbessern
3. Myofunktionelle Therapie
Wir trainieren mit Kindern: Zunge hoch, Lippen schließen, Nase frei – Schritt für Schritt.
4. Zusammenarbeit mit HNO & Kinderarzt
Wenn Polypen, Allergien oder Nasenmuscheln eine Rolle spielen, begleiten wir interdisziplinär.
Das Ziel ist klar: Nase frei, Zunge oben, Mund geschlossen.
FAQ
Ab wann sollte man Mundatmung untersuchen lassen?
Ab 4-5 Jahren, besonders wenn das Kind dauerhaft mit offenem Mund schläft oder atmet.
Kann Mundatmung zu schiefen Zähnen führen?
Ja. Ein schmaler Oberkiefer durch fehlende Zungenlage ist einer der häufigsten Gründe.
Hilft Invisalign First bei Mundatmung?
Ja. Durch kontrollierte Kieferentwicklung kann die Atmung messbar verbessert werden.
Ist Mundatmung gefährlich?
Auf Dauer ja – sie beeinflusst Schlaf, Entwicklung und Kieferwachstum.
Kann man Mundatmung wieder abtrainieren?
In den meisten Fällen ja, besonders wenn sie früh erkannt wird.


